8.2.2021

Frauen

Ich kann es mir fast nicht vorstellen, dass bis vor 50 Jahren die Frauen in diesem Lande am politischen Leben nicht teilnehmen durften. Gut 50 Prozent der Gesellschaft waren einfach ausgeschlossen – aus dem Gemeindehaus, dem Rathaus, dem Bundeshaus und aus dem Berufsleben. Ihre Stimme zählte nicht. Wir können uns das nicht mehr vorstellen heute. Nein.

Letzthin habe ich in einer Fernsehsendung eine Strassen-Umfrage, die im Vorfeld der damaligen Abstimmung zum Frauenstimmrecht durchgeführt wurde, gesehen. Ein Mann sagte: «Die Frauen gehören in die Küche und sie sollen zu den Kindern schauen.» Und seine neben ihm stehende Ehefrau ergänzte auf Nachfrage des Journalisten: «Ja, die Männer verstehen die Politik besser als wir. Die machen das schon recht.» Und auch letzthin habe ich gelesen, dass 1948 in der ganzen Schweiz Feiern zum 100-jährigen Bestehen der Bundesverfassung durchgeführt und die «Schweiz, ein Volk von Brüdern» gefeiert wurde. Die Schwestern durften wahrscheinlich kochen.

Der damalige Zeitgeist war ein anderer und es brauchte viele Anläufe und Anstrengungen von couragierten und engagierten Frauen bis endlich am 07. Februar 1971 das Frauenstimmrecht angenommen wurde. Immerhin mit einer deutlichen Mehrheit von knapp 66 Prozent. 53 Jahre nach Deutschland, 52 Jahre nach Österreich, 27 Jahre nach Frankreich und 26 Jahre nach Italien, was auch unserem komplexen Politsystem geschuldet sein mag. Die Schweiz war das erste Land, welche das Frauenstimmrecht mittels Volksabstimmung einführte.

Demokratie bedingt, dass alle eine Stimme haben. Ohne Frauen gibt es keine Demokratie. Und auch wenn uns das heute als selbstverständlich erscheint, so sind wir als Gesellschaft noch nicht in jedem Bereich gleichberechtigt. Es gibt noch viel zu tun. Frauen verdienen für gleichwertige Arbeit teilweise immer noch weniger als Männer. Und sie sind in Führungspositionen wie Geschäftsleitung oder Gemeindepräsidien stark untervertreten, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Zudem sind wir sehr oft Opfer unserer eigenen Denkfehler und blinden Flecken, die aus der Vergangenheit herrühren.  In der Fachsprache sagt man dazu Unconscious Biases. Diese prägen Rollenbilder und zementieren Machstrukturen.  Die Forschung geht davon aus, dass sie einer der wichtigsten Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen sind.

Als Politiker und als Mann sehe ich mich in der Pflicht.
Ich setze mich dafür ein, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, die ein Miteinander ermöglichen. Dazu gehört für mich zum Beispiel die Unterstützung der Familie, insbesondere durch bezahlbare Kitas, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erhöhen. Oder meinen Einsatz für einen Ausbau der politischen Bildung an unseren Schulen. Und vielem mehr. Wir brauchen keine Quoten. Wir brauchen Männer und Frauen, die gemeinsam und auf Augenhöhe an einem Tisch Lösungen für die Zukunft schmieden. Eine Teilnahme aller an unserem politischen Leben ist unabdingbar für eine gelebte Demokratie.

Deshalb möchte ich auch allen Frauen Mut machen, mit anzupacken. Übernehmt Verantwortung.

Gemeinsam sind wir stark.

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