15.4.2012
Wer entscheidet über Staatsverträge?
Staatsverträge gehören zum politischen Alltagsgeschäft der Schweiz. Pro Jahr werden rund 500 Staatsverträge abgeschlossen. Mit Staatsverträgen werden zwischen zwei – oder mehreren – Staaten verbindlich Verhältnisse geregelt. Jeder Partner weiss dann, was er vom anderen fordern aber auch erwarten kann und was er selber zu leisten hat. Und wenn der Vertrag nicht mehr zu den tatsächlichen Lebensverhältnissen passt, dann kann er einvernehmlich geändert oder einseitig gekündigt werden.
Bei den Staatsverträgen lautet die entscheidende Frage: Wer darf solche Verträge für die Eidgenossenschaft abschliessen? Wer soll entscheiden, wenn es darum geht, gegenüber dem Ausland rechtlich verbindliche Zusagen abzugeben?
Die Bundesverfassung hält für diese Frage eine gute und erprobte Antwort bereit: Ausgehandelt werden die Verträge vom Bundesrat. Dieser hat in vielen Fällen auch die Kompetenz, Verträge selbständig abzuschliessen. Bei bedeutsamen Verträgen ist jedoch die Genehmigung durch das Parlament nötig. Ist das Parlament mit einem Staatsvertrag nicht einverstanden, kann es die Genehmigung verweigern – wie das etwa beim Vertrag mit Deutschland über den Flugverkehr geschehen ist.
Aber auch das Parlament hat nicht immer das letzte Wort. Staatsverträge, die unkündbar und unbefristet sind oder Staatsverträge, mit denen die Schweiz einer internationalen Organisation beitreten will, unterstehen dem fakultativen Referendum. Wenn das Referendum ergriffen wird – also 50‘000 Unterschriften zusammen kommen – findet eine Volksabstimmung statt. Im Jahr 2003 wurde dieses Recht noch erweitert. Seither fallen auch Staatsverträge in diese Kategorie, bei denen es für die Umsetzung noch eine Gesetzesänderung braucht. Dies war beispielsweise bei der Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf Bulgarien und Rumänien der Fall. Hier waren Gesetzesänderungen nötig, und gegen diesen Vertrag ist bekanntlich auch das Referendum ergriffen worden.
Bei Verträgen, die für unser Land eine fundamentale Tragweite haben, kommt es sogar zu einem obligatorischen Referendum. Etwa wenn es um den Beitritt zu einer supranationalen Gemeinschaft oder zu einer Organisation für kollektive Sicherheit geht. Dann kommt es automatisch zur Abstimmung durch Volk und Stände, ohne dass jemand Unterschriften sammeln muss. Zwei solche Fälle gab es bisher: Den Beitritt zur UNO in den 80er Jahren und den Beitritt zum EWR (europäischer Wirtschaftsraum). Auch für einen allfälligen EU-Beitritt bräuchte es zwingend das Doppelte Mehr von Volk und Ständen.
Damit wird deutlich: Das Volk kann den aussenpolitischen Kurs der Schweiz bereits heute entscheidend mitbestimmen. Verträge, die zentrale Weichenstellungen für die Schweiz enthalten, kommen bereits heute obligatorisch zur Abstimmung. Über andere Verträge, die über das aussenpolitische Alltagsgeschäft hinausgehen, befinden die Stimmberechtigten, sofern ein Referendum zustande kommt.
Die direktdemokratischen Mitsprachemöglichkeiten der Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind weltweit einzigartig. In kaum einem anderen Land der Welt kann die Bevölkerung über so viele Sachgeschäfte mitbestimmen und nirgendwo können so viele zentrale Weichenstellungen direkt von der Bevölkerung vorgenommen werden wie bei uns in der Schweiz. Dass diese Rechte auch bei Staatsverträgen gelten, ist eine zusätzliche Besonderheit, für die es weltweit kaum etwas Vergleichbares gibt.
Genug ist der AUNS nicht genug!
Doch für die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) ist das nicht genug. Die AUNS wirft Bundesrat und Parlament vor, sie würden mit dem heutigen System Staatsverträge am Volk vorbeischmuggeln und so den schleichenden Beitritt zur EU vorbereiten. Die Initiative der AUNS will deshalb das heutige direktdemokratische System grundlegend ändern. Doch ihre Initiative geht viel zu weit, sie verursacht unnötige Kosten, und sie ist zudem ungenau und unklar.
Obligatorisch ist zu viel
Die Volksinitiative bewirkt, dass auch dann zwingend über Staatsverträge abgestimmt werden müsste, wenn diese politisch völlig unbestritten sind. In der letzten Session ist zum Beispiel ein Abkommen über das Verbot von Streumunition im Nationalrat mit deutlicher Mehrheit angenommen worden. Es gab keinen nennenswerten politischen Widerstand gegen dieses Abkommen. Und dennoch müsste nun zwingend eine Abstimmung durchgeführt werden, wenn es nach der Volksinitiative der AUNS ginge. Diese Logik ist uns völlig fremd: Schliesslich stimmen wir auch nicht einfach über jedes Bundesgesetz ab, sondern immer nur dann, wenn ein Teil des Volkes das Referendum ergreift. Mit dem Referendum machen die Stimmberechtigten deutlich, dass eine Vorlage für sie eine grosse Bedeutung hat und sie daher mitentscheiden wollen. Das Gleiche gilt für Staatsverträge. Mehr zu verlangen, ist schlicht unnötig. Referendumskomitees hätten zwar weniger Aufwand, weil sie keine Unterschriften sammeln müssten, aber dem Staat würden unnötige Ausgaben erwachsen, weil unnötige Abstimmungen durchgeführt werden müssten.
Schein und Sein
Das Initiativkomitee behauptet, in der Vergangenheit seien zahlreiche Staatsverträge am Volk vorbei geschmuggelt worden. Etwa bei den Kohäsionszahlungen der Schweiz an die neuen EU-Mitgliedsstaaten. Das Komitee nennt weitere Verträge, die man angeblich in Zukunft am Volk vorbeischmuggeln wolle: So das Abkommen über den Agrar-Freihandel mit der EU oder das Dienstleistungsabkommen mit der EU.
In den letzten zwei Jahren hat das Parlament 23 DBA genehmigt. Vor dem Parlament hängig sind derzeit 10 weitere Abkommen. Hätte man die Schweizerinnen und Schweizer in den letzten beiden Jahren über diese gut 30 zusätzlichen Abkommen abstimmen lassen sollen? Das wäre ziemlich absurd.
Unsere Wirtschaft ist auf stabile Verhältnisse angewiesen. Das stetig wachsende Geflecht von bilateralen Abkommen ist die notwendige Grundlage für die Globalisierung der Wirtschaft. Gerade unsere global ausgerichtete Wirtschaft ist auf beständige und vorhersehbare Rahmenbedingungen angewiesen. Ein verzögertes Inkrafttreten oder eine Verhinderung von wichtigen internationalen Abkommen würde die Schweizer Unternehmen unnötig benachteiligen und Arbeitsplätze gefährden.
Schadenspotential der Initiative
Die Annahme der Initiative würde einen unverhältnismässigen Abstimmungsaufwand generieren. Unsere Aussenpolitik würde zudem erheblich erschwert. Die Schweiz würde kaum mehr als verlässliche Partnerin wahrgenommen.Bei einer Annahme der Volksinitiative würde man nun aber für aussenpolitische Fragen ein ganz anderes System einführen. Ein System, das Bundesrat und Parlament entmachten und das die Schweiz international zu einer unzuverlässigen Partnerin machen würde.
Die Initiative schadet unserem Land. Was auf den ersten Blick den Anschein erweckt, die direkte Demokratie und die Volksrechte zu stärken, erreicht in Tat und Wahrheit das Gegenteil. Eine Annahme der Initiative hätte mehr negative als positive Folgen. Aus all diesen Gründen empfiehlt Ihnen der Vorstand der CVP Nidwalden diese Initiative abzulehnen. Danke.